Eisklettern zu Beginn der Saison: Es ist immer eine Herausforderung und ein Wagnis – aber eines, das sich für Tanja Schmitt und Matthias Scherer gelohnt hat, die sich auf der Suche nach kalten Novemberklettertouren nach Kanada wagten. Unten erzählen sie in ihren eigenen Worten von ihrem Abenteuer. Scrollen Sie nach unten, um das Video anzusehen: Reborn.
Die Suche nach frühreifem Eis ist immer eine Reise ins Ungewisse. Sie wirft viele Fragen auf: Hat sich das Eis bereits gebildet, wie werden sich die Temperaturen entwickeln, wie viel Schnee ist gefallen und stellt es bereits eine Lawinengefahr dar?
Während der Winter in den Alpen oft erst im Dezember einsetzt, ist er in den kanadischen Rocky Mountains oft schon im November voll im Gange. Daher machten sich beide Bergsteiger auf den Weg in die Rocky Mountains, in der Hoffnung auf Eis im Frühsommer. Doch auch dieses Jahr tropfte es dort noch vom Wasser, statt von festem Eis.
Matthias an den Whiteman Falls ©Tanja Schmitt
Und so fanden sich Matthias und Tanja beim Drytooling unter einem warmen, klaren Himmel wieder, anstatt im kalten Winterlicht Eisklettern zu müssen. Das führte zu einem verbesserten Training, und am Ende ihres Drytool-Zyklus kletterten beide zehnmal M9+ in einer Stunde: eine Tatsache, die ihnen Zuversicht für das gab, was vor ihnen lag.
In der zweiten Novemberwoche kam dann endlich die Kälte mit eisigen Temperaturen um die minus 25°C. Das Eis bildete sich. Am 12. November konnten Matthias und Tanja gemeinsam mit Steve Swenson mit dem Klassiker „Murchison“ auf dem Icefields Parkway in die Eissaison starten.
Die Kletterrouten waren frisch geformt, schockgefroren und noch dünn. Keine Spuren deuteten auf eine vorherige Klettertour hin, was die üblichen Fragen aufwirft: Ist das Klettern schon möglich? Wäre es nicht besser, noch abzuwarten? Ist eine Absicherung überhaupt möglich? Ist das Klettern das Risiko wert? Genau um diese Fragen geht es beim Eisklettern zu Beginn der Saison.
Den Weg zum Zauberer weisen
Im Laufe der zweiten Novemberwoche sanken die Temperaturen noch weiter: Am 29. November kletterte das Team die „Whiteman Falls“ bei Temperaturen um die minus 27°C, was die Klettertour sehr interessant machte. Am nächsten Tag brachen sie zusammen mit der kanadischen Eiskletterlegende Raffael Slawinski zu einer längeren Rinnwandklettertour nach Field auf.
Bei Temperaturen um die minus 30 °C waren dünne Eiszapfen und Pfeiler keine Option, sondern stetige Fortbewegung eine kluge Entscheidung. Also kletterten sie die einfacheren Stellen allein, um in Bewegung zu bleiben und nicht zu lange zu warten. Wenn beim Reinigen die Eisschrauben im Mund kleben bleiben und die Bewegungen langsamer werden, kündigt sich ein kalter Tag an … ein sehr kalter Tag. Das Eis wird schwer zu klettern. Die Luft eiskalt. Unvergessliche Tage!
Doch keine Kanadareise wäre komplett ohne das Geistertal. Und so schlossen sich Matthias und Tanja zum Abschluss ihrer Reise erneut mit Steve Swenson zu einem abenteuerlichen Ausflug zusammen. Neben stundenlangen Buschwanderungen und Flussüberquerungen geht es beim Eisklettern im Geistertal vor allem darum, mit dem Auto ans Ziel zu kommen: Schneebedeckte Straßen, rutschige Flussüberquerungen und die generelle Routenfindung sind die Herausforderungen für den Autofahrer. Und so haben sich die vier Seillängen mit fantastischem Eis redlich verdient: Der „Sorcerer“ ist in vielerlei Hinsicht eine großartige Kletterei an einem außergewöhnlichen Ort und bescherte unserer Reise einen unvergesslichen Abschluss!
Hauptbild: ©Tanja Schmitt